Unser Kind ist besonders ?
Vielleicht haben Sie als Eltern die Vermutung, dass mit der Entwicklung Ihres Kindes etwas nicht in Ordnung ist.
Ihr Vergleich mit gleichaltrigen Kindern und Ihr "Bauchgefühl" sind zunächst tatsächlich Ihre wichtigsten Anhaltspunkte. Doch sollten Sie Ihre Bedenken und Zweifel nicht allzu lang mit sich herumtragen. Oft wird Kindern mit Schwierigkeiten erst dann gezielt geholfen, wenn sich die Symptome des Versagens hartnäckig und deutlich genug zu erkennen geben. Dann Kindern zu helfen, ist natürlich legitim. Wenn man aber der Überlegung folgt, dass jedes Problem eine Geschichte hat, welches in vorhergehenden Etappen der Entwicklung eines Kindes verwurzelt ist, dann sollte man die einseitig abwartende Haltung überprüfen, denn:
Die beste Möglichkeit, ein Problem zu lösen, ist, es nicht erst entstehen zu lassen. Gehen Sie der Sache lieber nach und sorgen Sie - wenn möglich so zeitig wie möglich - für eine ärztliche Abklärung. Denn sollten tatsächlich Probleme in der Entwicklung Ihres Kindes bestehen, braucht Ihr Kind frühzeitig Förderung. Nur so kann es seinen Rückstand aufholen und auch neue Herausforderungen im Leben erfolgreicher bestehen.
Es gibt viele Zeichen und Anhaltspunkte im Verhalten eines Kindes, die Hinweise auf eine mangelnde Verarbeitung von Umwelteinflüssen sein können, die als sensorische Integrationsstörungen (SI) bzw. als Wahrnehmungsverarbeitungsstöhrungen bezeichnet werden.
Sensorische Integrationsstörungen äußern sich häufig in Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungs-verzögerungen und Lernstörungen. Diese Kinder mit SI-Störung fallen häufig durch ihre ungeschickten Bewegungen auf, können schlecht eine Handlung planen bzw. durchführen und scheinen aus den bereits gemachten Erfahrungen weniger als andere Kinder zu lernen. Teilweise zeigen sie wenig Phantasie und Kreativität im Spiel, sind meist "Mitspieler" und seltener "Spielführer". Häufig haben diese Kinder entweder ein mangelndes Selbstwertgefühl oder neigen zur Selbstüberschätzung, haben eine schlechte Gefahreneinschätzung und zeigen ein herabgesetztes Schmerzempfinden.
Die folgende Liste zeigt ausgewählte Auffälligkeiten, die eine Indikation für Ergotherapie sein können:
1) Gleichgewichtswahrnehmung (Vestibuläre Wahrnehmung) 
dem Kind wird es beim Autofahren leicht übel
das Kind hat Höhenangst
das Kind lernt spät Treppen im Wechselschritt zu steigen
das Kind hat große Mühe, Roller oder Fahrrad fahren zu lernen
das Kind schaukelt nicht gern
das Kind sitzt beim Spielen im Zwischenfersensitz
beim balancieren "rudert" das Kind auffällig mit den Armen
2) Tiefenwahrnehmung über Muskeln, Sehnen und Gelenke (Propriozeption)
das Kind ermüdet sehr schnell beim Spazierengehen und fällt häufig über die eigenen Füße
das Kind kann Gelenke extrem durchbiegen
das Kind fällt ohne Grund vom Stuhl oder vom Sitz wenn es Fernsehen schaut
das Kind hat oft einen offenen Mund und sabbert sehr stark
das Kind hat wenig Kraft oder ist oft ungestüm und heftig und wirkt damit aggressiv
3) Tastsinn (Taktile Wahrnehmung) 
das Kind mag nicht barfuss laufen
das Kind weigert sich beim Spiel andere Kinder anzufassen
das Kind spürt Schmerz kaum oder reagiert unangemessen heftig auf kleine Verletzungen
das Kind kuschelt nicht gern und will nicht eingeklemmt sein
das Kind mag keine matschigen Materialien

4) Gehör (Auditive Wahrnehmung)
das Kind kann sich maximal 2 Dinge merken
das Kind merkt nicht, wenn es sehr laut spricht und fast schon schreit
das Kind hört aus seinem eigenen Stimmengewirr nicht die Stimme der Mutter
das Kind kann Laute nicht gut unterscheiden (z.B. K – G oder D – T)
das Kind hat Dysgrammatismus (d.h. die fehlerhafte Anwendung grammatikalischer Regeln bei der Bildung von Sätzen)
5) Visuelle Wahrnehmung
das Kind kann aus Suchbildern Dinge nicht gut herausfinden
das Kind kann nicht gut einen Ball fangen und hat eine schlechte Zielmotorik
das Kind kann Höhen und Entfernungen nicht gut einschätzen
das Kind kann Zahlenmengen nicht gut mit einem Blick erfassen
das Kind hat Probleme Richtungen zu erkennen und die Uhrzeit abzulesen
6) Wahrnehmung der inneren Organe (Viszerale Wahrnehmung)
das Kind bleibt bis ins Schulalter Bettnässer und macht auch tagsüber gelegentlich in die Hose
das Kind spürt kein Hungergefühl
das Kind hat kein Sättigungsgefühl
7) Geruch (Olfaktorische Wahrnehmung)
das Kind riecht zuerst an allen Speisen bevor es sie isst
das Kind findet häufig Gerüche (z.B. von Holz und Kartoffel) ekelig
das Kind äußert häufig das es stinkt und ekelt sich obwohl es sich um natürliche Gerüche handelt (z.B. vom Holzgeruch im Wald)
8) Geschmack (Gustatorische Wahrnehmung)
das Kind isst Speisen grundsätzlich nur wenn sie kalt sind
das Kind mag keine weichen Speisen (z.B. Quark, Jogurt, ect.)
das Kind mag keine Fruchtstückchen im Jogurt
das Kind mag keine süßen oder herzhafte Speisen
9) Feinmotorik und Grobmotorik
das Kind meidet feinmotorische Aufgaben (z.B. Malen und Basteln)
das Kind hat geringe Qualitätsansprüche an die eigene Arbeit
das Kind wechselt beim Malen o. anderen Tätigkeiten oft zwischen linker und rechter Hand
10) Auffälligkeiten im Sozialverhalten
das Kind hat gegenüber Fremden keine Scheu und kein ausreichendes Distanzverhalten
das Kind erkennt keine sozialen Grenzen (z.B. geht in fremde Räume oder fasst alles an)
das Kind macht keinen Unterschied im Umgang mit Erwachsenen und Kindern
das Kind neigt zu Wutausbrüchen, wenn eine unvorhergesehene Situation eintritt oder wenn
Erwartungen nicht erfüllt werden
das Kind kann beim Spielen nicht verlieren und zeigt eine unangemessene Frustreaktion
das Kind lügt häufig und erfindet Geschichten
das Kind hat Probleme beim Einschlafen
das Kind zeigt wenig Selbstbewußtsein bzw. Selbstvertrauen
das Kind wehrt sich nicht in der Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen
das Kind hat keine realistische Selbsteinschätzung
(wertet sich ständig ab und kann kein Lob annehmen)
das Kind hat Angst, ist schüchtern und zurückhaltend
das Kind wirkt ständig überdreht und ist nicht in der Lage, seine Aktivitäten selbst zu regulieren
Eine weitere Indikation für Ergotherapie besteht auch bei einer Reihe von Erkrankungen, die sekundär eine Wahrnehmungsstörung verursachen. In diesem Zusammenhang kann nur auf ausgewählte Erkrankungen verwiesen werden:
· KISS-Syndrom
· ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit und ohne Hyperaktivität)
· Autismus
· Geistige Behinderungen
· Körperliche Behinderungen
· Muskelerkrankungen (z.B. Muskelatrophie)
In diesem Fall kann Ergotherapie Hilfe anbieten, denn alle Kinder können:
· ihre Wahrnehmung verbessern,
· ihre Selbständigkeit auf- und ausbauen,
· eine bessere Frustrationstoleranz entwickeln,
· ihre Arbeitshaltung und ihr Problemlösungsverhalten verbessern,
· lernen mit ihren Problemen zu leben und damit auch - trotz einer vielleicht
bestehenden Wahrnehmungsstörung - ans Ziel zu kommen.